Die Gattung Avicularia
 


Avicularia Lamarck,1818

Systematik und Taxonomie
Die Gattung Avicularia (= avicularis (lat.: vogelähnlich)) wurde 1818 von Lamarck ins Leben gerufen. Sie gehört zusammen mit den Gattungen Ephobepus, Pachistopelma und Iridopelma zur Unterfamilie der Aviculariinae. Die Gattungen Tapinauchenius und Psalmopoeus werden zwar offiziell ebenfalls noch unter Aviculariinae geführt, doch handelt es sich bei diesen höchstwahrscheinlich um Selenocosmiinae, was durch phylogenetische Untersuchungen durch Volker von Wirth festgestellt wurde. Desweiteren besteht der Verdacht, dass Ephobepus ebenfalls nicht zu den Aviculariinae gehört. Folgende taxonomische Unterschiede sind bekannt:

- Avicularia, Iridopelma, Pachisopelma besitzen Brennhaare vom Typ 2 auf dem Abdomen
  und kein Stridulationsorgan; Scopula der Tarsen zweigeteilt.
- Tapinauchnius besitzen keine Brennhaare und ein rückgebildetes Stridulationsorgan,
  Scopula der Tasen ungeteilt.
- Psalmopoeus besitzt keine Brennhaare aber ein Stridulationsorgan; Scopula der Tarsen
  ungeteilt.
- Ephobepus besitzt keine Brennhaare auf dem Abdomen, aber welche vom Typ 5 an den
  Femuren der Taster; die Männchen besitzen zweispornige Tibiaapophysen; Scopula der
  Tarsen ungeteilt.

Während es sich bei Ephobepus um Erdbewohner handelt, sind die Vertreter der Gattungen Pachistopelma und Iridopelma baumbewohnend und den Avicularia spp. sehr ähnlich. Innerhalb der Unterfamilie stechen die Avicularia spp. durch ihr sehr ruhiges Wesen heraus. Während Iridopelma spp. und Pachisoplema spp. ein hektisches Fluchtverhalten zeigen und nicht selten bei Gefahr in Drohstellung gehen, beschränkt sich das Abwehrverhalten von Avicularia spp. meist auf "Plattmachen" und das Anheben des Brennhaar besetzten Abdomens (Ausnahme: Jungtiere von A. versicolor, A. laeta, A. purpurea zeigen oft auch ein hektisches Fluchtverhalten). Desweiteren besitzen die Männchen der Gattung Iridopelma Tibiaapophysen am ersten und zweiten Beinpaar, während bei den Avicularia-Männchen nur am ersten Beinpaar (oder gar nicht: A. versicolor, A. minatrix, A. recifiensis, A. hirschii) Apophysen vorhanden sind. Die taxonomischen Unterschiede zwischen Avicularia und Pachistopelma sind gering. Laut [Schmidt03] besitzen die Männchen von Pachistopelma einen schwarzen Fortsatz aus Stacheln an Tibia 2. Auch besitzten Pachistopelma spp. randständige, unscheinbare hintere Sternalsigillen. 

Die Gattung Avicularia umfasst heute 57 Arten und ist auf dem südamerikanischen Kontinent ca.bis zum 14. Breitengrad südlich des Äquators, auf den Kleinen Antillen und vereinzelt auch in Mittelamerika und Mexiko verbreitet. Es sind folgende Arten beschrieben:
 
affinis (Nicolet, 1849).......................................................................................Chile
alticeps (Keyserling, 1878)...........................................................................Uruguay
ancylochira Mello-Leitão, 1923......................................................................Brasilien
anthracina (C. L. Koch, 1842).......................................................................Uruguay
aurantiaca Bauer, 1996.....................................................................................Peru
avicularia (Linnaeus, 1758) .....................................................Costa Rica bis Brasilien
avicularia variegata F. O. P.-Cambridge, 1896................................................Brasilien
aymara (Chamberlin, 1916)...............................................................................Peru
azuraklaasi Tesmoingt, 1996..............................................................................Peru
bicegoi Mello-Leitão, 1923............................................................................Brasilien
borelli (Simon, 1897)..................................................................................Paraguay
braunshauseni Tesmoingt, 1999....................................................................Brasilien
caesia (C. L. Koch, 1842)..........................................................................Puerto Rico
cuminami Mello-Leitão, 1930.........................................................................Brasilien
detrita (C. L. Koch, 1842)..............................................................................Brasilien
diversipes (C. L. Koch, 1842).........................................................................Brasilien
doleschalli (Ausserer, 1871)..........................................................................Brasilien
exilis Strand, 1907........................................................................................Surinam
fasciculata Strand, 1907...........................................................................Südamerika
fasciculata clara Strand, 1907...................................................................Südamerika
geroldi Tesmoingt, 1999................................................................................Brasilien
glauca Simon, 1891.......................................................................................Panama
gracilis (Keyserling, 1891)..............................................................................Brasilien
guyana (Simon, 1892).....................................................................................Guyana
hirschii Bullmer, Thierer-Lutz & Schmidt...........................................................Ecuador
hirsuta (Ausserer, 1875).....................................................................................Kuba
holmbergi Thorell, 1890...................................................................Französich-Guiana
huriana Tesmoingt, 1996................................................................................Ecuador
juruensis Mello-Leitão, 1923...........................................................................Brasilien
laeta (C. L. Koch, 1842)...............................................................Brasilien, Puerto Rico
leporina (C. L. Koch, 1841).............................................................................Brasilien
metallica Ausserer, 1875................................................................................Surinam
minatrix Pocock, 1903.................................................................................Venezuela
nigrotaeniata Mello-Leitão, 1940......................................................................Guyana
obscura (Ausserer, 1875)............................................................................Kolumbien
ochracea (Perty, 1833)..................................................................................Brasilien
palmicola Mello-Leitão, 1945..........................................................................Brasilien
panamensis (Simon, 1891)................................................Mexiko, Guatemala, Panama
parva (Keyserling, 1878)................................................................................Uruguay
plantaris (C. L. Koch, 1842)............................................................................Brasilien
pulchra Mello-Leitão, 1933.............................................................................Brasilien
purpurea Kirk, 1990.......................................................................................Ecuador
rapax (Ausserer, 1875).............................................................................Südamerika
recifiensis Struchen & Brändle, 1996...............................................................Brasilien
rufa Schiapelli & Gerschman, 1945..................................................................Brasilien
rutilans Ausserer, 1875................................................................................Kolumbien
soratae Strand, 1907.......................................................................................Bolivien
subvulpina Strand, 1906............................................................................Südamerika
surinamensis Strand, 1907.............................................................................Surinam
taunayi (Mello-Leitão, 1920)...........................................................................Brasilien
tigrina (Pocock, 1903)....................................................................................Uruguay
ulrichea Tesmoingt, 1996...............................................................................Brasilien
urticans Schmidt, 1994........................................................................................Peru
velutina Simon, 1889..................................................................................Venezuela
versicolor (Walckenaer, 1837)..................................................Guadeloupe, Martinique
violacea (Mello-Leitão, 1930)..........................................................................Brasilien
walckenaeri (Perty, 1833)...............................................................................Brasilien

Die Typusart der Gattung ist Avicularia avicularia und wurde bereits 1758 in Carl von Linné s "Systema Naturae" beschrieben. Damals wurde sie noch in die allgemeine Gattung Aranea (lat.: die Spinne) gestellt. Bei der Namensgebung von Aranea avicularia (lat. „Vogelspinne“ ) hat sich Linné vermutlich von der berühmten Naturforscherin und Künstlerin Maria Sybilla Merian inspierieren lassen. Ihre Eindrücke von einer Reise nach Surinam veröffentlichte sie 1705 in dem Werk „Metamorphosis Insectorum Surinamensium“. Darin ist ein Kupferstich mit einer großen Spinne gezeigt, die auf einem Ast sitzend einen kleinen Vogel verspeist.

                              
                      Kupferstich von Maria Sybilla Merian in "Metamorphosis Insectorum Surinamensium"


Die Avicularia-Problematik

Aus heutiger Sicht ist die Systematik der Gattung Avicularia mit sehr vielen Fehlern behaftet. Viele der Artbeschreibungen sind sehr alt und/oder unvollständig; der hinterlegte Holotypus unbrauchbar oder verschollen. Bei manchen Tieren wurde die Beschreibung lediglich an Hand von Exuvien vorgenommen. Dazu kommt, dass die Gattung in der Vergangenheit als „Rest“-Gattung herhalten musste. So soll es laut Platnick Avicularia spp. in Paraguay, Uruguay und Chile geben. Forscht man allerdings nach, in welche Gattung diese Tiere ursprünglich beschrieben wurden, sieht man, dass sie alle zu Eurypelma gehört haben. Als dann Raven (1985) Eurypelma als Synonym für Avicularia erklärte, wurden alle Eurypelma-Arten, die nicht mit Aphonopelma, Brachypelma oder Grammostola identifiziert werden konnten, in die Gattung Avicularia gestellt, ob sie nun dazu gehörten oder nicht. Tatsächlich wurden bis heute noch keine Funde von Avicularien in Paraguay, Uruguay und Chile dokumentiert.

Die lange Liste an zweifelhaften Arten macht eine Revision der Gattung unbedingt notwendig. Ein schwerwiegendes Problem hierbei ist die Tatsache, dass bis heute keine stabilen taxonomischen Merkmale innerhalb der Arten gefunden wurden, die eine eindeutige
Beschreibung zulassen würden. Auch aktuelle Artbeschreibungen erlauben deshalb oft keine zweifelsfreie Feststellung der Artzugehörigkeit. So besteht der Verdacht, dass viele beschriebene Arten möglicherweise keine eigenständigen Arten sondern Farbmorphe einer einzigen „Überart“ sind, die sich aufgrund großflächiger Verbreitung und fehlender geographischer Barrieren entwickelt haben. Um dies zu klären, müsste eine umfangreiche Untersuchung der Variabilität verschiedender taoxonomische Merkmale durchgeführt werden.

So bleibt dem versierten Vogelspinnenhalter oft nur der Fundort als bestimmendes Kriterium und genau hier wird ein weiteres Problem klar. Die Importeure haben sich in der Vergangenheit meist nicht die Mühe gemacht die gefunden Tiere mit der korrekten Angabe des Fundortes zu deklarieren oder gar mit dem Typusmaterial abzugleichen. Teilweise vielleicht aus Unwissenheit, aber bestimmt oft auch aus Profitgier, da sich die gängigen Namen wie Avicularia metallica oder Avicularia avicularia besser verkaufen als z. B.  eine Avicularia sp. „Guyana“. Das gleiche gilt für die Zucht dieser Tiere: Viele Hobbyzüchter haben die falsch deklarierten Tiere miteinander gekreuzt und fertile „Hybriden“ hervorgebracht. Als Folge davon haben wir heute sehr viele Avicularien im unseren Terrarien bei denen es schier unmöglich ist, ihren Ursprung nachzuvollziehen. Für eine arterhaltende Zucht lassen sich diese Tiere nicht mehr hernehmen.

Beschäftigt sich man eigehender mit Avicularia so kann man viele Arten zwar kaum unterscheiden aber dennoch in unterscheidbare Gruppen einteilen:

Avicularia avicularia Art-Komplex
(Brasilien, Guyana, Französisch-Guyana, Surinam, Venezuela)

Avicularia urticans Art-Komplex
(Peru, Brasilien)

Avicularia huriana Art-Komplex
(Ecuador, Peru)

Bekannte individuelle Arten:
A. minatrix (Venezuela), A. versicolor (Guadeloupe, Martinique), A. laeta (Puerto Rico), A. diversipes (Brasilien), A. sooretama (Brasilien), A. gamba (Brasilien), A. cf. "pulchra" (Brasilien), A. cf. "juruensis" (Brasilien), A. hirschii (Ecuador), A. purpurea (Ecuador) ,A. cf. "azuraklaasi" (Peru), A. sp. "Amazonica" (Brasilien), A. sp. "Riberalta" (Bolivien), A. sp. "Rio Madre" (Bolivien)



Quellen:

[STRIFFLER03]
STRIFFLER, B. F., A. BOCHTLER und H.-W. AUER. 2003. Südamerikanische Baumbewohner - Avicularia, Tapinauchenius & Psalmopoeus. - DRACO Nr. 16, Jahrgang 4 (2003-4). 37-50.

[SCHMIDT03]
SCHMIDT GÜNTER. Die Vogelspinnen. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 641. Westarp Wissenschafften. Hohenwarsleben. 2003

[RAY06]
RAY GABRIEL. The Genus Avicularia. -
http://www.the-t-store.co.uk/forum/index.php?showtopic=8120 (2006)

[CARPENTIER92]
PHILIP CHARMPENTIER. The Genus Avicularia. - Exothermae- Belgium

[West08]
WEST, R. C., S. D. MARSHALL, C. S. FUKUSHIMA & R. BERTANI (2008): Review and cladistic analysis of the Neotropical tarantula genus Ephebopus Simon 1892 (Araneae: Theraphosidae) with notes on the Aviculariinae. Zootaxa (1849): 35–58.

 
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